2023

Motto: „Loss mer fiere, nit lamentiere!“

Nach zwei Jahren Corona/Pandemie-Zwangspause waren wir Jungs hoch motiviert, unseren Karnevalswagen für 2023 zu bauen. Er sollte wieder ein Hingucker werden!

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Motto: „Loss mer fiere, nit lamentiere!“

Nach zwei Jahren Corona/Pandemie-Zwangspause waren wir Jungs hochmotiviert, unseren Karnevalswagen für 2023 zu bauen. Er sollte wieder ein Hingucker werden!

Während der Pandemiezeit wurde viel zu viel sinnlos lamentiert und herumgejammert, so dass wir alle froh waren, wieder unseren geliebten Karneval feiern zu können. Gefühlt wollte sich jeder mit der Pandemie einfach nur (politisch) profilieren und als DEN Problemlöser darstellen (wenn es doch nur so gewesen wäre…).

Deswegen haben wir uns „Loss mer fiere, nit lamentiere!“ zum Motto gemacht.
Immerhin: Die großen Feierjahrzehnte waren die 60/70er Jahre. Die berühmteste unbeschwerte Party war die von 1968 in Woodstock - mit einem superschönen Gefühl von absoluter Freiheit. (Was vielleicht nicht zuletzt am Konsum einer gewissen Hanfpflanze lag, deren Legalisierung momentan wieder diskutiert wird.)
Man verbindet mit dieser Woodstock-Zeit Friedendemos, „gepflegt gechillte“ (also gute) Musik, Klamotten und Kultautos. „Nä, wat wor dat fröher för en Super Jeile Zick“ - genauso wie auch die 70er mit Schwerpunkt auf 1971, wo das ZDF die Sendung „DISCO“ ins Fernsehen brachte. Damit wurde das Feiern in den Discotheken sehr beliebt, was wir bei unserem Wagen in Form einer Spiegelkugel zum Ausdruck gebracht haben. 1972 kamen dann auch die „Kult“-Prilblumen auf die Spülmittelflaschen/Küchenfliesen.

All das gab uns den Anstoß, etwas von der guten alten Zeit aufleben zu lassen - mit dem Fazit: „Alles kommt wieder“.

Wagenbau I: Gesetzliche Hindernisse, die kein Mensch braucht!
Wir trafen uns einen Tag vor Sylvester, um den Wagen mit unserem alten Thema von 2020 („Haushaltshasen“) abzuwracken.
Am ersten Samstag im neuen Jahr wollten wir dann den Wagen für unser diesjähriges Motto aufbauen. Betonung auf „wollten“.

Denn unsere Euphorie wurde schnell getrübt, weil die Übergangsfrist der TÜV-Verordnung für Karnevalswagen für unser Bundesland RLP seit dem 31. Dezember 2022 ausgelaufen war. Nun wurde nach der neuen TÜV- und Brauchtumsabnahme bewertet. Leider hatten während der Pandemiezeit alle diese Verordnung aus den Augen verloren und das traf nicht nur uns, sondern alle Karnevalisten nun schwer.

Zum Hintergrund:
Mit Erlass vom 22. Oktober 2018 hatte das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz darauf hingewiesen, dass aufgrund bundesweit geltender Vorschriften (Zweite Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen) für jedes bei Brauchtumsveranstaltungen eingesetzte Fahrzeug (Zugfahrzeug und Anhänger) eine Betriebserlaubnis vorliegen muss. Für Fahrzeuge, die nicht über eine Betriebserlaubnis verfügen, sei ein Gutachten nach § 21 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) erforderlich, das von einem amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr beziehungsweise von einem Prüfsachverständigen eines benannten Technischen Dienstes von (TÜV, DEKRA, GTÜ oder KÜS) zu erstellen ist.

Und nun die Praxis:
Die Anhänger, die zum Aufbau eines Motivwagens genutzt werden, stammen vielfach von land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben und besitzen keine solche Betriebserlaubnis oder es gibt keine entsprechenden Nachweise / Papiere mehr dafür. Und:
Das in den vergangenen Jahren regelmäßig erstellte sogenannte "Brauchtumsgutachten“ konnte für Umzüge nicht mehr anerkannt werden. (PM)

Sicherheit wird natürlich bei allen groß geschrieben und darüber wird auch nicht diskutiert, es sollen ja keine Beteiligten oder die Jecken am Straßenrand zu Schaden kommen.
Daher sind Verordnungen notwendig!

Nur: Die Karnevalisten haben von der Landesregierung schnelles Handeln erwartet - dass sie ein Herz sowie Einsehen für die Situation haben und beschließen würden:
Alle die 2020 mit der Übergangsregelung mitgefahren sind, müssen für 2023 durch dieselbe Prüfung und erst nach dem 30. März 2023 gelten dann die neuen Verordnungen.
Die Politik sah das leider erst einmal anders.

Nach vielem Hin und Her - Doch-Ja-Nein-Vielleicht-Und nun?, haben die Vereine/ Familiengruppen u.s.w. keine Möglichkeit gesehen, diese Bestimmungen zeitnah umzusetzen. Denn man darf auch das finanzielle Budget nicht aus den Augen verlieren. Im Zweifelsfall bekam der Wagen, der in den vorigen Jahren gut genug war, keine Zulassung mehr für die bereits begonnene Session 22/23. Im besten Falle bedeutete das Nacharbeiten (Material und Arbeit investieren), im schlimmsten Falle musste ein neuer Wagen angeschafft oder gemietet werden (finanzieller Invest).

Und das nach zwei Jahren Pandemie!
Alle Karnevalisten waren schwer gebeutelt und demoralisiert über eine so zögerlich handelnde Landesregierung! Und alle hatten den Gedanken: So bekommt man das Brauchtum auch kaputt!

Immerhin hat die Landesregierung dann doch eingelenkt und die Übergangsregelung bis Ende März verlängert. Nur leider: Viel, viel zu spät, was dann zur Folge hatte, dass viele Karnevalisten ihren Wagenbau schon im Vorfeld aufgegeben haben.

Schade, schade für das Kulturgut Karneval! Denn Karneval ist nicht, was man häufig in den Medien daraus macht! Man kann nur hoffen, dass die Motivation bei den aktiven Karnevalisten im nächsten Jahr hoch ist und wieder viele Gruppen die Umzüge mit ihren Wagen bereichern werden!

Wagenbau II: Technische Hindernisse, die kein Mensch braucht!
Da auch wir von unserem Karnevalswagen mit neuer Verordnung Anfang Januar 2023 (!!) vom TÜV geschieden wurden, haben wir uns schweren Herzens von ihm verabschiedet und bei der Übergabe beim Schrotthändler gemeinsam noch einmal hinterher gewunken.
Wir verbanden viele gute Erinnerungen mit ihm.

Nun standen allerdings auch wir vor der Entscheidung:
Was machen wir? Machen wir weiter oder hören wir auf?

Wir hatten das riesengroße Glück, dass wir von einem echten Förderer seinen „ausgemusterten“ Anhänger angeboten bekamen und dass dieser mit allen Voraussetzungen der neuen gesetzlichen Gegebenheiten ausgestattet war. Wir konnten den Anhänger preiswert erwerben und dadurch stand für uns Jungs fest: Wir lassen das Brauchtum Karneval nicht sterben – wir machen weiter!!

Gesagt – getan und unsere hehren Absichten in allen Ehren… „ABER“ wir hatten sage und schreibe nur noch 5 ½ Wochen Zeit, um einen komplett neuen Karnevalswagen zu bauen, und damit ist gemeint – technisch UND dekorativ!!! Das war für alle eine noch viel extremere Herausforderung als es sich hier so locker-flockig liest!

Der alte Wagen hatte eine Länge von 8,50 m - der neue „nur“ eine Länge von 7 m. Deswegen musste als Erstes vorne der Kofferaufbau entfernt, mit einer Stahlplatte begradigt und um 25 cm verlängert werden. Das Heck wurde mit 2 Stahlschwertern und einem Stahlrahmen von 135 Kilo Eigengewicht um 1,25 Meter verlängert, so dass der neue Wagen das Maß vom Alten (8,50 m) aufweist.
Nach diesem ersten Schritt kamen dann die zusätzlichen TÜV/Brauchtums-Verordnungs-arbeiten: Bracken ringsum nach Maß, das Geländer auf 1,10 Meter Höhe anbringen usw. usf.

Erst nach Umsetzen der neuen Verordnungen konnte dann der Aufbau für das Motto 2023 erfolgen.
Die Kamelle-/Blumenbox im mittleren vorderen Bereich wurde aus den Seitenbracken des Hängers gebaut und mit Holz verkleidet, die Citroen Ente aus 2 großen Holzplatten in Original Größe (3,80 m lang und 1,60 m hoch) ausgesägt und an die dafür vorgesehenen Halter über der Kamellekiste angeschraubt. Für den technischen Antrieb und Bau der Spiegelkugel wurden am 1. Samstag im Februar 2 Teams gebildet. Team Blau (nein, der Name war kein Programm!) baute in der Schlosserei Ehlert das Grundgerüst der Spiegelkugel und Team Grün baute in der Halle Kraus den Antrieb usw. dafür.

Eine besondere Herausforderung mit sehr viel Aufwand war die Spiegelkugel.
5 intensive Bautage wurden benötigt, um das Grundgestell der Kugel aus Stahl herzustellen. Gerade mal eine Woche vor der Wagentaufe wurde die so entstandene „Rohkugel“ von der Schlosserei Ehlert mit der Pritsche zur Halle Kraus gefahren, wo dann die „Hochzeit“ mit dem Anhänger stattfand, d.h. die Kugel wurde auf den Antrieb gehoben und befestigt.
Am Folgetag ging es dann mit einer Kaninchendrahtummantelung und Raufaser-Beklebung weiter. Im Anschluss an die Trocknungszeit wurde die Kugel gestrichen. Nach 7-stündigem Zuschnitt und Verkleben der Spiegelkacheln auf die Kugel hatten wir am Samstag um 18:00 Uhr unser Tagesziel erreicht.

Knallharte Fakten: Neben unzähligen Arbeitsstunden braucht man für unsere 2,80m -Spiegelkugel (Durchmesser) folgende Materialien:

Grundgestell/Wasserbehälter 1 Stück
Moniereisen 600 m
Flachstahl nicht gezählt, nur gewogen…
Stahl Gesamtgewicht 328 kg
Kaninchendraht 80 m
Tapetenkleister 20 l
Raufaser 120 m
Farbe 3 l
Acrylkartuschen 27 Stück
spiegelähnliche Kunststoffkacheln 704 Stück
Gesamtgewicht der Spiegelkugel 412 kg

In der Karnevalswoche selbst wurden Planen und Themendekoration angebracht, Licht und die Technik installiert sowie jede Menge Sand als Bodenbelag verteilt.
Schließlich wurde noch das Wurfmaterial sortiert und verstaut sowie jede unserer 1.200 Primeln mit einem Aufkleber versehen.
Am Tag vor dem Umzug in Oberbreisig wurde etwas über einer Stunde die Schutzfolie an den Spiegel abgezogen und der Abend stand dann ganz im Zeichen unserer Wagentaufe.

Prost..... Wir haben es (und sind) geschafft!!!

An Weiberfastnacht präsentierten wir dann wahnsinnig stolz zum ersten Mal den neuen Wagen den vielen Jecken bei unserem Heimatumzug in Oberbreisig. Karnevalssamstag fuhren wir in Gönnerstdorf und Karnevalssonntag im Prinzenumzug in Niederbreisig mit.

Unser Fazit: Wir sind froh über den Schritt, einen neuen Karnevalswagen gebaut zu haben. Und auch, wenn es eine ganz, ganz große Herausforderung für uns alle war, hatten wir sehr viel Spaß und freuen uns auf die neue Session 2024.

Es lebe das Brauchtum! (Und es lebt von Jecken wie uns.)
Alaaf!